Was ist Ihr erster Gedanke, wenn sie aus einem Gespräch das Wort „Macht“ aufschnappen?
Denken Sie an eigene schlechte Erfahrungen, an Missbrauch? Oder denken Sie an Unterstützung und Beratung? Der gesellschaftliche Trend geht weg von den großen, hierarchischen Institutionen des Industriezeitalters hin zu Matrix- und Projektorganisationen und Netzwerken von kleinen, flexiblen Einheiten.
Vieles, was früher eigene Arbeiter machten, wird heute an Fremdfirmen übergeben, mit denen man langfristig zusammenarbeitet. Damit verliert die hierarchische Befehlspyramide an Bedeutung. Sie wird ersetzt durch Netzwerke des Vertrauens. Als Konsequenz bekommt die personale Autorität (Expertenwissen, Vertrauen in die Person) mehr Gewicht als die formale, positionale Autorität.
Betrachtet man den Machtbegriff ohne negative Assoziationen, dann drückt er die Fähigkeit aus, bei anderen ein Verhalten zu erzeugen, das sie spontan nicht angenommen hätten bzw. das Verhalten des anderen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Mit Macht etwas durchsetzen zu wollen, ist ein Phänomen, das man in Unternehmen tagtäglich antrifft.
Bei der Nutzung von Macht ist es sinnvoll, zwischen «Einflussnahme», eine Einwirkung auf andere im Einklang mit ihren Interessen, und „Machtausübung“, eine Einwirkung auf andere gegen ihre Interessen, zu unterscheiden. Letzteres hat meist nicht nur negative Folgen für die Betroffenen, sie „korrumpiert“ auch die Machtausübenden. Darüber hinaus führt Machtausübung vielfach dazu, dass weniger Wissen weitergegeben wird und die Effektivität darunter leidet.
Einflussnahme und Beteiligung dagegen fördern die Schaffung neuen Wissens, die Handlungsfähigkeit und die Effektivität. Vielfach ist Managern nicht bewusst über welche Machtbasen sie tatsächlich verfügen, nutzen sie dementsprechend auch nicht zielgerichtet. Da es im Zusammenleben und -arbeiten immer auch um Macht geht, ist es notwendig, sich seiner eigenen Machtquellen bewusst zu werden und sie verantwortungsvoll, im Sinne der bestmöglichen Zielerreichung zu nutzen. Das Gegenteil von Macht ist nicht Ohnmacht, sondern Abhängigkeit (von der Macht Anderer)
Mit Machtgrundlage bezeichnet man die Basis der Macht, über die jemand verfügen kann. Es gibt verschiedene Machtbasen und verschiedene Klassifizierungen.
Im Folgenden sind sieben klassische Machtbasen aufgelistet:
1. Positionsmacht
Sie gründet sich auf die Akzeptanz spezieller Regeln, die besagen, dass bestimmte Personen (Positionsinhaber) das Recht haben, Einfluss auszuüben. Konkreter aus- gedrückt: Mitarbeiter sind bereit, den Weisungen des formellen Vorgesetzten zu folgen, weil sie dessen Recht anerkennen, Weisungen zu erteilen. Hierarchische Organisationen fußen auf dieser Machtgrundlage, ihre Mitglieder stimmen freiwillig vorab – durch Unterzeichnung des Arbeitsvertrages – zu, dass der Arbeitgeber bzw. von ihm beauftragte Vorgesetzte die Befugnis haben, ihnen Anweisungen zu erteilen und dass sie bereit sind, diesen zu folgen.
Man gehorcht der Stelle, nicht der Person. Im Einzelfall (z.B. bei starken Altersunterschieden oder mangelnder praktischer Erfahrung) kann das generelle Einverständnis heimlich außer Kraft gesetzt werden.
2. Belohnungsmacht
Diese Machtgrundlage basiert auf der Einschätzung der Geführten, dass die Führungsperson, die Möglichkeit hat, sie zu belohnen. Ein Vorgesetzter hat z.B. dann eine gute Einflusschance, wenn seine Mitarbeiter wissen, dass er Lohnerhöhungen oder Förderungsmaßnahmen für sie bestimmen kann und wenn sie diese Anreize begehrenswert finden. Letzteres wird allzu häufig übersehen.
Macht durch Belohnung ist streng zu unterscheiden von der bloßen Existenz eines Belohnungsinstrumentariums. Ein Vorgesetzter mag die Möglichkeit haben, unterstellte Mitarbeiter zu weiterbildenden Kursen vorzuschlagen; wenn diese aber an solchen Kursen nicht interessiert sind, werden sie sich – zumindest aus diesem Grund – den Einflussversuchen nicht fügen. Verhaltensbeeinflussend wirkt eine Belohnung also nur dann, wenn sie als solche wahrgenommen wird.
3. Sanktions-/Bedrohungsmacht
Sie gründet sich auf Möglichkeiten, nichtkonformes Verhalten zu bestrafen (Ausschluss, Versetzung, Lohnabzug etc.). Genauer gesagt, geht es darum, dass Einfluss durch Androhung einer Bestrafung ausgeübt werden soll. Die Wirkungsweise der „Macht durch Bestrafung“ ist somit – im Unterschied zur „Macht durch Belohnung“ – im Wesentlichen auf Abschreckung ausgerichtet. Die Angst vor der Bestrafung soll verhaltensregulierend wirken (wie dies ja z.B. auch von der Straßenverkehrsordnung her bekannt ist), nicht das fortwährende Erteilen von Bestrafungen. Für die Wirksamkeit dieses Einflusspotenzials gelten im Prinzip dieselben Bedingungen wie unter (2).
Für beide Einflusspotenziale ist der Einflussbereich auf Verhaltensweisen eingeschränkt, für die belohnt oder bestraft werden kann und für die eine Ankündigung von Belohnungen/Bestrafungen von den Mitarbeitern als solche empfunden wird. Bei der Androhung von Bestrafung ist allerdings zu bedenken, dass schwer sichtbare Abweichungen (man denke etwa an Arbeiten im Außendienst) durch diese kaum regulierbar sind. Überhaupt ist bekannt, dass die Androhung von Strafen zu Aktivitäten anregt, diese zu unterlaufen.
Die Stärke beider Machtgrundlagen ist abhängig von dem (wahrgenommenen) Umfang und der Attraktivität/Abschreckung der Belohnungen/Bestrafungen sowie der geschätzten Wahrscheinlichkeit, dass diese tatsächlich gegeben werden. Wie hoch die Geführten die Wahrscheinlichkeit veranschlagen, hängt u.a. von den Erfahrungen ab, die sie mit der Führungsperson gemacht haben. Mit anderen Worten, die Androhung von Bestrafung darf nicht isoliert gesehen werden, sie steht in einem ganz bestimmten, über die Zeit gewachsenen Situationszusammenhang.
Nicht immer hat sich die Führungssituation so entwickelt, dass die Ankündigung einer Bestrafung von Mitarbeitern als (verhaltensregulierende) Bedrohung erlebt wird.
Mit der Androhung einer Bestrafung geht eine Führungskraft ein spezielles Risiko ein. Für den Fall, dass der Einflussversuch scheitert, der Mitarbeiter also nicht bereit ist, das gewünschte Verhalten zu zeigen, hat sie sich mit der Ankündigung der Bestrafung selbst gebunden. Kann sie oder will sie den widerstrebenden Mitarbeiter nicht bestrafen, so beeinträchtigt sie zugleich den Wert ihrer zukünftigen Drohungen. Sie verlieren an Glaubwürdigkeit.
4. Expertenmacht
Dieses Einflusspotenzial, auch Wissensmacht genannt, gründet sich darauf, dass der Führungsperson in bestimmten Bereichen ein Wissensvorsprung zuerkannt wird. Die Geführten erklären sich gewissermaßen bereit, dem Expertenwissen zu folgen. Je höher der zuerkannte Wissensvorsprung, desto stärker wirkt diese Machtgrundlage. Expertenmacht ist aber grundsätzlich begrenzt auf den Wissensbereich, für den relative Wissensvorteile zuerkannt werden. Außerhalb dieser Grenzen entfällt die Möglichkeit der Beeinflussung dieser Art.
Auch hier gilt wie bei allen vorgenannten Einflusspotenzialen, dass nicht das objektive Wissen ausschlaggebend ist, sondern seine Einschätzung durch die Geführten. Besserwisser und Streber können häufig trotz eines objektiven Wissensvorsprungs darauf kein Beeinflussungspotenzial aufbauen, weil ihnen der Expertenstatus nicht zuerkannt wird. Die Zuschreibung von „Sachverstand“ geschieht auf unterschiedliche Weise, es muss nicht unbedingt vorher eine Art Test stattgefunden haben oder konkrete Erfahrungen gesammelt worden sein. Andere Wege sind Imagetransfer (man denke an den Wechsel von Fußballtrainern), Hörensagen,Publikationen usw.
5. Persönlichkeitsmacht
Sie gründet sich auf die persönliche Ausstrahlung, die einer Führungsperson zu- geschrieben wird, und dem Wunsch, dieser Führungsperson zu gefallen, von ihr geschätzt zu werden. Einfluss wird eingeräumt, weil man die Führungsperson als überzeugend erlebt, weil man ihre persönliche Ausstrahlung bewundert, weil man zum Kreis der von ihr bevorzugten Personen gehören möchte.
Im Gegensatz zur Macht durch Belohnung bzw. Bestrafung ist diese Machtgrundlage schwer herstellbar, sie ist eine Frage des persönlichen Empfindens, der Sympathie oder des Respekts. Sie hängt in sehr starkem Maße von dem Bezugssystem der Geführten ab. Auf der anderen Seite ist dies zweifellos das wirkungsvollste Einflusspotenzial überhaupt.
6. Informationsmacht
Immer häufiger wird auf die „Informationsmacht“ als sechstes Einflusspotenzial verwiesen. Hier wird primär Bezug genommen, auf unterschiedliche Möglichkeiten, Zugang zu oder Kontrolle über exklusive Informationen zu erhalten.
Im Hintergrund dieser Betrachtung stehen informelle Beziehungen in Organisationen, in denen prekäre wichtige Informationen verfügbar gemacht werden können (Wo wird wahrscheinlich ein neues Geschäftsfeld aufgemacht? Wer wird bei einer Fusion entlassen? Auf wen hört der Chef bei Personalentscheidungen? usw.).
Zugang zu solchen Informationen kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden, z. B. durch jahrelange Assistenz bei der Geschäftsleitung oder Freundschaftsbeziehungen aus früheren Zeiten. Ein anderer Weg ist der Informationstausch, exklusives Wissen über beispielsweise interne Vorgänge bei der Konkurrenz wird preisgegeben, um Sonderinformationen des eigenen Hauses zu erhalten. Im Führungsprozess verstärkt der Besitz oder die Beschaffungsmöglichkeit solcher Informationen die Einflussmöglichkeiten insoweit, als dadurch die Führungsperson in den Augen der Geführten potenziell an Gewicht gewinnt, weil sie als bedeutsam im internen Machtgefüge wahrgenommen wird.
Gerne können Sie uns dazu unter kontakt@hrdt.de kontaktieren.